Der Tag war sehr verregnet und kalt – ein Wetter, „bei dem man keinen Hund vor die Tür jagt“. Es war Freitag, der 06.09.19. Gegen 17:00 Uhr sah ich vom Küchenfenster aus im Hof einen triefnassen, aber fröhlich grinsenden Biker stehen … ich habe wohl dumm geschaut, denn ich kannte ihn nicht, erwartete keinen Besuch und war sehr verwundert, dass auf dem Rücksitz der gelb/schwarzen F 800 GS ein kleiner weiß-brauner, freundlich wedelnder Jack-Russel-Terrier saß.
Der Biker erblickt mich und winkt mir freundlich zu. „Ich schau mal wer das ist“ sagte ich zu meiner Familie und ging hinunter in den Hof.
Der junge Mann stellte sich mit „Hello, I’m Rodrigo from Chile!“ vor und erzählte mir, dass er eine BMW „Dependance“ sucht, weil er ein paar kleine Probleme zu lösen hatte … Google Maps führte ihn zu uns, dem „BMW Club Garmisch-Partenkirchen & Oberland e.V.“ (Anm. d. Autors: Für mich eine großartige Bestätigung unserer Netzwerkbemühungen, die aber noch sehr viel intensiver ausgebaut gehören!) … zunächst war er auf der Suche nach Hinweisschildern, Fahnen oder ähnlichem, aber die vielen BMW-Bikes im Hof haben ihn dann einbiegen lassen.
Rodrigo erzählte seine Geschichte, die 2015 in Californien begann und ihn jetzt, vier Jahre später, auf seinem aktuellen Europatrip zu uns geführt hat. Er suchte ein Hotel, denn die letzten Tage des Campens haben ihn und seine Ausrüstung an die Grenzen gebracht … alles war total durchnässt und er berichtete, wie er am Abend vorher zusammen mit seinem kleinen Freund Jacko frierend und nass im Zelt saß. Ein paar Telefonate später begrub er seine Hoffnung auf ein trockenes Bett und ein warme Dusche, denn die Garmisch-Partenkirchner Preise und seine enge Reisekasse passten nicht zusammen.
Ich selbst war vor ca. 3 Monate erst zusammen mit meinen Söhnen auf einer mehrwöchigen Bike-Tour und hatte mir vorgestellt, dass es möglich wäre, von den jeweils lokalen BMW Clubs Unterstützung und Insider-Tipps zu bekommen – trotz regem eMail-Verkehr mit genug Vorlauf erlebte auch ich hier leider „Fehlanzeige“! Sind wir wirklich so abgestumpft? Zählt nur noch der Kommerz und ob sich etwas „lohnt“? Sind all‘ die coolen Gespräche bei Bier und Lagerfeuer nur hohles Gelaber? Wo sind die echten Biker meiner Jugendtage, wo ist die weltumspannende Brotherhood? Ich kenne die Szene jetzt seit mehr als 40 Jahren und durfte die „alten Zeiten“ erleben …
Vielleicht war Rodrigo meine „Prüfung“ und selbstverständlich habe ich ihn eingeladen, bei uns Station zu machen, um alles wieder fit zu bekommen. Da war eine entzündete Kralle an Jackos Pfote, da war die gesamte Ausrüstung zu trocknen, einige Kampfspuren am Bike waren zu reparieren (weil Clubkamerad Max K. keine Zeit hatte, haben wir anderorts Hilfe gesucht und haben dabei in einer ehem. guten und stets kompetent-hilfsbereiten Werkstatt in Partenkirchen derart Negatives erlebt, was ich zuvor nie zu glauben gewagt hätte – später mehr …) und all die grundlegenden Dinge wie duschen, vernünftig essen, Wäsche waschen und in einem richtigen Bett die Knochen auszuruhen um die Akkus wieder aufzuladen …
Im Lauf der nächsten drei Tage habe ich einen tollen Typen kennen und schätzen gelernt, denn er „lebt“ das, wovon viele von uns nur träumen … und viele nur schwätzen! Wer meine Worte hier als „Anklage“ spürt, der sollte sich fragen warum? Rodrigo hat seinen Job in Chile gekündigt, ist mit seinem Ersparten nach Kalifornien gereist, hat sich dort sein (gebrauchtes) Traumbike gekauft, ist aufgesessen, hat den Starter betätigt, den ersten Gang eingelegt und ist einfach losgefahren! Das war im Jahr 2015 und sein erster Trip führte ihn von Kalifornien rauf nach Alaska dann wieder gen Süden nach Feuerland und wieder heim nach Chile – der Virus war ausgebrochen!
Die nächsten Reisen waren in den Jahren 2016/17 und jetzt 2019 ff. – dazwischen musste Geld verdient werden! Neben Instagram und Facebook gibt es seit letzter Woche eine Website, auf der man spektakuläre Bilder und Videos seiner Reisen besichtigen kann …
Aktuell wird Rodrigo seine Deutschlandtour fortsetzen und über einen Besuch bei Touratech nach Heidelberg und Köln/Düsseldorf fahren, weiter nach Aachen (von dort stammt die Familie seines Großvaters) und dann nach England (seinen Bruder besuchen). Ich werde Euch hier immer updaten, sobald ich neue Infos von Rodrigo bekomme.
Fortsetzung 12.09.19:
Am Montag, dem 09.09.19 gegen 13:00 Uhr ist Rodrigo wieder aufgebrochen und hat sich auf den Weg zu Touratech gemacht, jedoch wollte er die Königsschlösser von Ludwig II. nicht versäumen … eine Traumtour mit tollen Wolkenstimmungen vorbei an Schloß Linderhof, entlang dem Plansee und über Füssen nach Neuschwanstein. Übernachtet wird nahe Sigmaringen, denn er wollte in die Nähe des Headquarters von Touratech kommen, um am nächsten Tag dort „Hallo“ zu sagen.
Rodrigo „brennt“ für die Marke Touratech, denn in seinem Heimtland steht deren Name für die Erfüllung der Sehnsüchte aller weitreisenden Biker … marketingmäßig ein über Jahre aufgebauter und dank der Gründer Schwarz und Schanz seinerzeit wohl auch gelebter Lifestyle … sozusagen ein Volltreffer. Inzwischen hat sich hier wohl was geändert, denn trotz aller Bemühungen auf „allen Kanälen“ hat sich der Mythos der „hemdsärmeligen Bikertypen“ „zum Anfassen“ leider nicht bestätigt. Es lag nicht am „nicht Können“ sondern an mangelnder Spontanität und scheinbar fehlendem Enthusiasmus für die Sache … leider! Argumente wie „Budgetierung“, „… mal schauen, ob wir ihn nächstes Jahr aufnehmen können …“ u.s.w. sind (mir als Branchen-Insider) leider zu vertraut. Wie schön wäre der Job, wenn wenigstens die Kollegen aus der scheinbar so männermäßig coolen, toughen Biker- und Outdoor-Welt das Wort „ich kann nicht“ streichen würden und entweder sagen „ich will nicht“ … oder die Komfortzone verlassen und sich richtig reinhängen, damit „was geht“, denn „a Bisserl was geht immer!“ Und das sei noch deutlich gesagt: Rodrigo wollte keine Sponsoring im fünfstelligen Bereich, sondern lediglich den Gedanken freien Lauf lassen und dabei sehen, was sich entwickelt und ob man nicht einen gemeinsamen Nenner findet … die „lustigen“ Details hole ich evtl. noch nach, aber ich will hier niemandem (zu sehr) auf den Schlips treten …
Für die Nacht von Dienstag auf Mittwoch hat Rodrigo vom zuständigen Marketing-Mann bei TT Hausaufgaben bekommen und hat deswegen auf einem nicht ganz preiswerten Campingplatz eingecheckt. Der Platz – extra gewählt wegen der Nähe zu Touratech und freiem WLAN – erwies sich als sinnlos, denn der an diesem Abend dringend benötigte Internet-Zugang war auf den Plätzen für die Zeltgäste nicht gegeben und in Folge dessen konnte keine vernünftige eMail-Zusammenfassung seines Vorhabens an TT gesendet werden … meine Empfehlung an alle Traveller –> geht lieber zu McDonalds, trinkt einen Kaffee und genießt dort freies WLAN!
Mittwoch erneutes Vorsprechen bei TT mit dem o. g. Ergebnis … wie gesagt, leider sehr schade! Als nächstes Ziel stand Heidelberg auf Rodrigos Wish-List, weil es für einen Deutschlandbesuch wohl zu den Must-Haves gehört. Von Mittwoch auf Donnerstag wollte Rodrigo zurück in sein Element … Übernachten in der freien Natur um die Erfahrungen der letzten Tage zu „verdauen“.
Aber – wie immer im Leben – „die Wurst hat zwei Enden“ und es gibt nichts Schlechtes, an dem nicht auch etwas Gutes ist bzw. aus dem sich nicht etwas Gutes machen lässt … es kommt auf die Einstellung an! Will heißen, dass sich aus den Gesprächen und Hilferufen Rodrigos nach seiner ernüchternden Erfahrung vom Mittwoch Gespräche über Dritte entwickelt haben, die ihn für Donnerstag und Freitag herzlich eingeladen haben. Diese Leute haben sich kurz Zeit genommen, haben die Möglichkeiten erkannt und sind offen an die Sache herangegangen …
… to be continued!